In unserer hyperproduktiven und kapitalistischen Welt sind wir ständig gefordert. Alles ist auf lineare Prozesse ausgelegt und wir sollten am besten ständig für die Arbeit verfügbar und allzeit bereit sein. Dass das für uns Menschen nicht die beste und nachhaltigste Art zu leben ist, liegt auf der Hand. Aber was, wenn da auch noch ein körperlicher, hormoneller und emotionaler Prozess dazu kommt, der unsere Stimmung, Arbeitsfähigkeit und vieles mehr beeinflusst? Genau das ist bei vielen Menschen der Fall und nennt sich Menstruationszyklus oder einfach nur Zyklus.
Diesen Menstruationszyklus können Menschen mit einer Gebärmutter haben. Das betrifft die meisten Frauen zwischen der Menarche und Menopause, aber auch nicht-binäre oder trans Personen. „Der Menstruationszyklus ist ein ziemlich faszinierendes Phänomen. Er reagiert auf Stress, kann sich auf Reisen verändern und ein Indikator für Gesundheit sein. Aber die wenigsten haben gelernt, seine Zeichen zu deuten“, schreibt Franka Frei in Periode ist Politisch. Und genau deswegen möchte ich in diesem Beitrag auf die verschiedenen Phasen des Zyklus eingehen. Und gleich vorweg, hier geht es um mehr als die Menstruation selbst, denn die Zeiträume rundherum zeichnen sich ebenfalls durch bestimmte Merkmale aus.
Mir persönlich hat die Auseinandersetzung mit meinem Menstruationszyklus einiges gebracht. Ich verstehe meine Stimmungsänderungen, aber auch körperliche Veränderungen nun viel besser und kann so sanfter mit mir selbst umgehen und zum Beispiel Termine anders einplanen. Das gelingt zwar nicht immer, aber es lohnt sich Termine, wo man etwas präsentieren muss oder ein anstrengendes Seminar hat, in die Zeit rund um den Eisprung zu legen – dazu später mehr.
Es gibt immer noch ein Stigma rund um den Menstruationszyklus und die Periodenblutung. Indem sie die tiefe Kraft anerkennen, die der Menstruationszyklus in sich birgt, können Menstruierende eine gesündere Beziehung zu ihrem Körper aufbauen. Im Folgenden werde ich deswegen die Zyklusphasen aus mehreren Perspektiven beschreiben – der medizinischen und auch spirituellen Perspektive. Denn auch, wenn man selbst nicht so „into spirituality“ ist, liegen in den Metaphern doch auch gute Bilder und Anknüpfungspunkte, um den eigenen Zyklus besser einordnen zu können. Natürlich treffen die Zuschreibungen nicht auf jede menstruierende Person gleich zu, vielleicht liefern sie euch aber Anregungen für die eigene Reflexion.
Ein Zyklus – zwei oder vier Phasen
Der weibliche Zyklus besteht medizinisch gesehen aus zwei Phasen. Der Follikel Phase und der Lutealen Phase. Die erste Phase oder auch Eireifungsphase genannt, beschreibt die Zeit ab dem ersten Tag der Menstruationsblutung bis zum Eisprung und kann in ihrer Dauer variieren. Die zweite Phase, die Zeit nach dem Eisprung bis zum letzten Zyklustag, ist in ihrer Dauer relativ konstant (zwischen 10-16 Tage). Der erste Tag der Blutung markiert den Beginn des Menstruationszykluses. Dieser zeichnet sich durch frisches rotes Blut aus. Ein Zyklus dauert meist zwischen 25-35 Tagen, kann aber auch länger und kürzer sein. „Normal“ bzw. gesund ist eine Länge zwischen 23 und 35 Tagen. Sollte der Zyklus wesentlich kürzer oder länger sein, kann eine hormonelle Störung vorliegen und sollte mit einem*r Gynäkolog*in abgeklärt werden.
Man kann den Zyklus aber auch anders einteilen. Ein für mich sehr passende Einteilung habe ich zum Beispiel im Buch „Feminine Food – Eat like a woman“ gefunden. Dort wird der Zyklus in „Aufblühen“ und „Loslassen“ eingeteilt. Die Zeit nach der Menstruation bis nach dem Eisprung bezeichnet das „Aufblühen“. Menstruierende sind hier tendenziell aktiver, extrovertierter, etwas resilienter und haben mehr Energie. Auf mich trifft das jedenfalls oft zu. In der zweiten Phase, die nach dem Eisprung beginnt und bis zum letzten Tag der Regel geht, geht es um ein „Loslassen“. Einerseits gehen wir hier mehr in uns, reflektieren, lassen aber auch körperlich gesehen ein unbefruchtetes Ei los.
Außerdem gibt es die gängige Einteilung in vier Phasen – die Follikelphase, die Phase rund um den Eisprung, die Luteale Phase und die Menstruation:
Follikelphase und der innere Frühling (zeitlich variabel)
Die Phase nach der Menstruation bis zum Eisprung ist die Follikelphase und kennzeichnet sich durch das Ansteigen von Östrogen und auch Testosteron. Die Hypophyse im Gehirn setzt zudem das Follikel-stimulierende Hormon kurz FSH frei, dass den Follikeln in den Eierstöcken signalisiert, mit der Reifung einer Eizelle für diesen Zyklus zu beginnen. Die Länge dieser Phase ist variabel und bestimmt somit die Länge deines Zyklus insgesamt. Bemerkenswert ist hier, dass sich die Dauer bis zum Eisprung durch Stress, Krankheit oder andere Umstände verlängern kann und sich dann auch die Menstruation verschiebt. Oft reden wir ja davon, dass die Blutung zu spät dran ist. Das stimmt so also nicht; es liegt an einem verspäteten Eisprung.
Das Stimmungsbarometer zeigt in dieser Phase einen Aufschwung und einen Anstieg an Energie an. Tatendrang, Kreativität und neue Ideen tauchen auf. Auch die Sexualität kann hier wieder mehr werden. Es ist eine gute Zeit, um Pläne zu schmieden, sich zu organisieren und neue Projekte anzugehen. Diese Phase eignet sich dafür Dinge auszuprobieren, denn oft fühlt sich vieles jetzt leicht, unbeschwert und locker an. In dieser Zeit sind wir auch eher extrovertierter. Ich merke diese Veränderung in meiner Follikelphase sehr stark, dass sich mein Fokus von Innen wieder mehr auf das Außen richtet und ich auch gerne wieder in Gesellschaft und unter Menschen bin.
Mit dieser Phase verbunden sind der Archetyp des Mädchens und die Jahreszeit Frühling, in denen die beschriebene Energie gut sichtbar werden. „In dieser Phase steckt ganz viel Unschuld, die im sonstigen Alltagssein wenig Platz erhält und mitunter auch ganz verloren gegangen ist. So lädt der Frühling auf ganz magische Weise ein, sich mit dem inneren Mädchen zu verbinden und wieder wild zu sein und unbefangen Dinge anzugehen“, schreibt @weavingcycles so wunderbar auf Instagram.
Assoziierte Mondphase: zunehmender Mond
Eisprung oder der innere Sommer (3-5 Tage)
Während der Ovulationsphase also dem Eisprung verändert sich nicht nur der Hormonspiegel, sondern auch die innere Energie. Das Lutenisierende Hormon stimuliert das am meisten entwickelte Follikel und es kommt zum Eisprung – ein Eibläschen gibt ein Ei frei, das sich auf den Weg durch die Eileiter. Manche Menstruierenden Menschen spüren den Eisprung sogar. Das nennt man dann Mittelschmerz. „Nach dem Eisprung kann die Eizelle für 12–18 h im äußeren Drittel des Eileiters von einem Spermium befruchtet werden. Geschieht dies nicht, stirbt sie ab und löst sich auf. Wird sie befruchtet, wandert sie während der nächsten 3–4 Tage durch den Eileiter zur Gebärmutter“ (Wikipedia, 2022). Da die Spermien selbst 5-7 Tage überleben, ist das Fruchtbarkeitsfenster aber etwas länger.
Östrogen ist in dieser Phase am höchsten und beeinflusst auch den Serotonin, Dopamin und Testosteronspiegel. So sind Menstruierende in dieser Phase tendenziell optimistischer, haben gute Laune, sind extrovertierter und auch die Libido wird gesteigert. Schließlich geht es aus rein biologischer Sicht darum ein Kind zu zeugen und der Körper hilft hier tatkräftig mit eine*n geeignete*n Partner*in zu finden.
Dieser Phase wird deswegen der Archetyp der Mutter sowie die Jahreszeit des Sommers zugeschrieben. So werden Selbstbewusstsein, Sinnlichkeit und Wagemut mit dieser Phase in Verbindung gebracht. Es ist eine gute Zeit, um Vorhaben umzusetzen, zu investieren und zu Projekten JA zu sagen. Ich selbst spüre in dieser Phase oft mehr Energie, bin besser drauf, fühle mich frei, lebenslustig und gesellig. Auch meine Sexualität wird in dieser Phase mehr spürbar. Vor allem das Bild des Sommers, mit viel Wärme, Energie und Lebenslust passt hier aus meiner Perspektive wirklich sehr gut dazu.
Assoziierte Mondphase: Vollmond
Lutealphase oder der innere Herbst
Die luteale Phase wird auch Gelbkörperphase genannt. Durch das lutenisierende Hormon (LH) wird aus dem Follikel der Gelbkörper gebildet. „Dieser ist quasi die Hülle, die nach dem Eisprung übrig bleibt und unter dem Mikroskop gelblich leuchtet“ (@zyklusakademie, 2020). Dieses produziert nun unter dem anhaltenden Einfluss von LH das Hormon Progesteron. Diese Hormon ist dazu da, die Gebärmutter mit allem auszustatten, was ein befruchtetes Ei bzw. ein Fötus zur Entwicklung brauchen würde. So verdickt sich dadurch die Gebärmutterschleimhaut, in die sich das befruchtete Ei dann einnisten könnte. Außerdem wird der Zervixschleim verdickt, damit keine weiteren Spermien in die Gebärmutter können.
Kommt es zu keiner Schwangerschaft, stirbt der Gelbkörper und die Progesteronproduktion stoppt. Die Gebärmutterschleimhaut wird dann abgestoßen und die Menstruationsblutung setzt ein.
Durch den Hormonabfall von Progesteron und Östrogen kann auch die Stimmung abfallen. Es ist eine Zeit der Transformation, der Langsamkeit und des Rückzugs. In dieser Phase taucht auch für manche Menschen das bekannte prämenstruelle Syndrom auf – kurz PMS genannt. PMS kann bei verschiedensten Personen zu unterschiedlichen Symptomen führen. Von Bauchkrämpfe, Heulattacken, Angst, Unmut oder Ärger können hier viele Emotionen präsent sein. Erstmal gilt hier – alle Emotionen sind ok und willkommen. Es kann sein, dass man sensibler wird, nicht nur emotional, sondern auch körperlich.
Zu dieser Phase wird auch oft der Archetyp der Zauberin und die Jahreszeit Herbst assoziiert. Beides hat etwas Mystisches und Ungreifbares an sich. @weavingcycles schreibt „Die Herbstphase steckt voller Potenzial. Sie ist die Brücke in die innere Welt, nimmt uns mit auf die Reise ins Unterbewusstsein, zeigt mit Klarheit, was nicht mehr funktioniert, was sich verändern darf und das mitunter mit großer Heftigkeit. Gerade in dieser Phase können die kritischen Stimmen besonders wüten und dunkle Gefühlsspiralen hervorbringen. Der Herbst lehrt Gefühle zu halten ohne gleich in die Handlung zu gehen. Er hilft uns emotional zu reifen und innere Stabilität zu fühlen“. Ich finde diese Beschreibung hat etwas kraftgebendes und verwandelt diese Phase in eine der Möglichkeiten, der Reflexion, der Wendung nach Innen und der Bewusstwerdung.
Assoziierte Mondphase: abnehmender Mond
Menstruationsphase oder der innere Winter
In der Menstruationsphase sinken die Hormone auf ihren niedrigsten Stand ab. Diese Phase dauert meist zwischen drei bis sieben Tage. Dadurch, dass keine Befruchtung stattgefunden hat, wird die Gebärmutterschleimhaut wieder abgebaut und durch die Blutung abtransportiert. Die Menstruation ist also ein natürlicher Reinigungsprozess. Sollte deine Periode spät dran sein, liegt das übrigens daran, dass dein Eisprung später war (siehe oben). Der Abstand zwischen Ovulation und Menstruation ist nämlich annähernd konstant lang (zwischen 11-17 Tage). Für die meisten Menstruierenden ist die Periode verbunden mit Schmerzen. Das müsste eigentlich nicht sein und hat auch viel damit zu tun, dass wir eben nicht in einer Welt leben, die zyklisches und Pausen achtet, sondern in einer patriarchalen und kapitalistischen Logik von uns immer gleich viel Einsatz fordert.
Aus einer spirituellen, assoziativen Sicht sind wir nun beim Archetyp der alten Weisen und in der Jahreszeit des Winters angekommen. So wie auch in der Natur der Winter eine Zeit der Ruhe und des Rückzugs ist, spiegelt sich dies auch im Zyklus in der Phase der Menstruation wieder. In dieser Phase tut es oft gut mehr in die Langsamkeit zu gehen, sich mehr Pausen zu gönnen und wirklich klar auf die eigenen Grenzen zu achten. Ich habe zu „Do’s und Don’ts“ während der Menstruation auch schon mal einen Artikel verfasst. Grundsätzlich ist es ratsam, sich in dieser Zeit auszuruhen, keine wichtigen Termine anzusetzen und sich Zeit für sich selbst zu nehmen.
Der innere Winter markiert sowohl das Ende eines Zyklus als auch den Anfang eines neuen Zyklus. Diese Zeit kann auch als Anker im Zyklus gesehen werden. Eine Zeit zum Entspannen, den Kopf leer werden zu lassen, nach Innen gehen, träumen und Revue passieren lassen, wie der letzte Zyklus so war. Wie es dir in dieser Phase geht, spiegelt auch oft wieder, wie der vergangene Zyklus war.
Assoziierte Mondphase: Neumond
Je mehr ich mich damit auseinandersetzte, desto mehr finde ich mich mit Abweichungen in den Phasen wieder. Wenn man keinen (echten) Menstruationszyklus hat (z.B. weil eine Hormonstörung vorliegt, man die Pille nimmt etc.), kann man sich auch anhand der Mondphasen gut orientieren und in die verschiedenen Energien hineinspüren.
Übung: Wenn ihr euren Zyklus auch besser kennen lernen wollt, schreibt über die Dauer eines Zyklus eure Stimmungen und Gefühle auf und beobachtet, was sich so verändert.
Alles Liebe,
Eure Marolena
Quellen:
https://www.instagram.com/p/CJq9dLjF5i6/ [Abfrage am 24.1.2021]
https://www.instagram.com/p/CEjHtzyABAL/ [Abfrage am 24.1.2021]
https://www.instagram.com/p/CEs–dmA28P/ [Abfrage am 24.1.2021]
https://www.instagram.com/p/CGzqPdeFBsa/ [Abfrage am 24.1.2021]
https://www.instagram.com/p/CJtoglplu4q/ [Abfrage am 24.1.2021]
https://www.instagram.com/p/CJvi9C1nUtI/ [Abfrage am 7.3.2021]
https://www.instagram.com/p/CE3hzcvA4iR/ [Abfrage am 7.3.2021]
https://www.instagram.com/p/CJ6TiseF6ck/ [Abfrage am7.3.2021]
https://www.instagram.com/p/CKMc-wDl050/ [Abfrage am 16.11.2022]
Follikel Phase – @zyklusakademie https://www.instagram.com/p/CJDe8btHS3O/ [Abfrage am 24.1.2021]
Luteale Phase @zyklusakademie https://www.instagram.com/p/CI0iriaHHW2/ [Abfrage am 16.11.2022]
Periode ist Poltisch von Franka Frei
Eat like a woman – Feminine Food von Andrea Haselmayr, Verena Haselmayr und Denise Rosenberger
Natürlich Verhüten Kurs von Thea Maillard und Eva Tschiderer
https://de.wikipedia.org/wiki/Menstruationszyklus [Abfrage am 16.11.2022]
Titelbild: (c) William Farlow Leva via Unsplash